Die Tampa 2 Defense: Vom Steel Curtain zum Auslaufmodell?

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Unter anderem als Antwort auf die West Coast Offense machte die Tampa 2 Defense Schule, mit ihrem Höhepunkt in der 2002er Buccaneers Defense, die als eine der besten aller Zeiten gilt und die Bucs zu ihrem einzigen Super Bowl führte. Doch was steckt dahinter? Und außerdem: Spielt die Tampa 2 heute noch eine Rolle?

Ein historischer Mythos

Zunächst gilt es, mit einem, irgendwo verständlicherweise, verbreiteten Irrtum aufzuräumen: Die Tampa 2 Defense ist keineswegs aus dem Nichts in Tampa Bay entstanden.

Zwar sorgten Head Coach Tony Dungy und Defensive Coordinator Monte Kiffin Ende der 90er Jahre für eine Runderneuerung der Bucs-Defense und formten sie mit der sogenannten „Tampa 2“ zu einer der besten Defenses der Liga. Doch die Wurzeln, wie so häufig bei NFL Schemes und Philosophien, liegen in der Vergangenheit.

Tatsächlich orientiert sich die Tampa 2 Defense stark an Pittsburghs Steel Curtain, die Defense, welche Offenses in den 70er Jahren das Fürchten lehrte. Dungy selbst machte daraus nie einen Hehl und gab zu, schmunzeln zu müssen, wenn er den Namen „Tampa 2“ hört.

Gleichzeitig drehten Dungy und Kiffin aber doch an einigen Schrauben, um Tampa Bays Defense konkurrenzfähig zu machen. Was dabei herauskam wurde daher als Tampa 2 bekannt.

Die Grundlagen

Wie der Name tatsächlich korrekterweise vermuten lässt, basiert die Tampa 2 Defense auf einem Cover-2-Scheme, das heißt unter anderem: Zwei Safeties sollen auf ihrer jeweiligen Seite tiefe Pässe verhindern. Das Problem: Häufig entstehen zwischen Linebackern und Safeties in der Mitte des Feldes hier Lücken, die vor allem die West Coast Offense mit ihren Slants rigoros auszunutzen wusste.

Kiffins Antwort: Der Middle Linebacker wurde stärker in die Coverage-Verantwortung genommen. Das erforderte ein hohes Maß an Spielintelligenz sowie viel Geschwindigkeit beim MLB, ganz im Gegensatz zu den knallharten Hittern aus den 70er und 80er Jahren auf der Position. Schematisch sah das so aus:

Tampa 2 Basic

Das System basiert auf einer 4-3-Front, also vier Defensive Linemen und drei Linebackern. Der Fokus sollte wiegesagt auf dem Middle Linebacker liegen. Der Will-LB (= Weakside-LB) und der Sam-LB (= Strongside-LB; die beiden rechts und links vom Middle Linebacker) sind zwar auch für eine Zone zuständig, bleiben aber näher an der Line of Scrimmage.

Der MLB dagegen ist für den Bereich in der Mitte zuständig, und das etwa 10 bis 14 Yards von der Line entfernt. Dort ist er für Receiver, genau wie für Pass Catching Tight Ends, die nur zu gerne über die Mitte kommen und Defenses hier wehtun können, verantwortlich. Damit ähnelt Tampa 2 in gewisser Weise einer Cover 3 – nur dass die Cornerbacks hier nicht tief decken, sondern zwei Safeties und ein Linebacker diese Aufgabe übernehmen.

Das bedeutet, dass der Linebacker schnell sein muss. Sehr schnell, und zwar physisch, aber auch mental. Der MLB lässt sich nicht automatisch 13 Yards tief fallen. Stattdessen macht er häufig sogar erst einen oder zwei Schritte auf die Line of Scrimmage zu, um bei einem möglichen Running Play helfen zu können.

Ist es ein Pass, geht er einige Yards zurück, um die mittleren Routes zu blocken. Dann hat er noch immer die Möglichkeit, sich weiter fallen zu lassen, je nachdem wie sich der Spielzug entwickelt.

Unterstützt wird die tiefe Coverage von den Cornerbacks. Die sollen Receiver zunächst an der Line beschäftigen, damit sich die Safeties in Position bringen können. Anschließend kümmern sie sich um ihre jeweilige Seitenlinie und sollen kurze und mittellange Pässe verhindern. Gleichzeitig sind Cornerbacks und Safeties gelegentlich auch für (angetäuschte) Blitze verantwortlich.

Allerdings verlässt sich die Tampa 2 Defense primär auf Pass Rush ohne Blitzing. Sprich: Die D-Line muss in der Lage sein, zu viert Druck auf den Quarterback auszuüben. Warren Sapp hat dieses Scheme und diese Verantwortung sieben Pro Bowls in Folge, den Titel „Defensive Player of the Year“ im Jahr 1999 und letztlich die Einberufung in die Hall of Fame eingebracht.

Darüber hinaus muss die D-Line auch in der Lage sein, gegnerische Running Plays zu beeinflussen. Häufig funktioniert das, indem sie Gaps kreieren, in die Outside Linebacker oder vor allem der Middle Linebacker durchbrechen sollen, nachdem sie erkannt haben, dass es sich um einen Laufspielzug handelt. Die Bucs ließen 2002 so nur acht Rushing-TDs zu.

Der Last Stand: Red 2

Wenn die gegnerische Offense es dann doch trotz allem an die 15-Yard-Line geschafft hat, wird aus der Tampa 2 in den meisten Fällen die sogenannte „Red 2“-Defense:

red 2

Hierbei ändern sich vor allem technisch einige Dinge. Die Cornerbacks attackieren den Receiver nicht an der Line of Scrimmage, stattdessen sichern sie ihre Seitenlinie gegen kurze Pässe nach außen ab. Die Safeties, sofern es ein Pass-Spielzug ist, müssen erkennen, welche Routes über die Mitte laufen – und verhalten sich dementsprechend. Alles was über die Mitte läuft (Slant oder Dig/Posts etwa) fällt in ihren Aufgabenbereich.

Die Cornerbacks, Safeties und der Middle Linebacker zusammen erschaffen so den sogenannten „Five Across“-Look, der zur Verteidigung der Goal Line gegen den Pass dient. Offenses versuchen hierbei die Safeties mit Slot-Receivern etwa zu beschäftigen, so dass ein athletischer, und, gerade gegen die Tampa 2, meist deutlich größerer Tight End es mit dem MLB zu tun hat.

Die Schwäche: Große Spezialisierung, hohe Anforderungen

Einfach in ihrem grundsätzlichen Scheme hat die Tampa 2 Defense aber doch offensichtliche Schwachstellen. Beginnen wir an der Line: Alles steht und fällt bereits mit dem Four-Men-Pass-Rush.

Wenn die D-Line ohne Unterstützung keinen konstanten Pass-Rush hinbekommt, dann haben die Receiver zu viel Zeit, die Zonen werden für die Defense immer größer und Pass-Completions sind kaum noch zu verhindern.

Darüber hinaus sind die Anforderungen an die Linebacker sehr spezifisch – was zwar für große Stärken in dem einen, allerdings für unvermeidbare Schwächen in anderen Gebieten sorgt. So mussten die Linebacker sehr schnell und sehr beweglich sein, was in Run Defense häufig bedeutete, dass sie schlicht zu klein waren.

Ausblick: Unvermeidbare Weiterentwicklung

Während Offenses zu Beginn des Jahrtausends nur selten Three-WR-Sets verwendet haben, hat das Passing Game in den letzten 15 Jahren einen enormen Aufschwung erfahren. Die modernen Offenses mit Multiple-WR-Sets, dominanten Slot-Receivern und extrem athletischen Tight Ends können der Tampa 2 große Probleme bereiten.

Nicht nur Tampa 2, Cover 2 generell gerät so seit einigen Jahren zunehmend aus der Mode und wird immer häufiger durch einen Single-High Safety ersetzt. Cover 2 ist schlicht zu statisch für heutige NFL-Offenses und lässt zu viele Lücken für Quarterbacks.

Das trifft auch auf die Tampa 2 Defense zu, die so keineswegs mehr als Kern oder Fokus einer Defense herhält – das musste zuletzt Monte Kiffin als Defensive Coordinator der Dallas Cowboys am eigenen Leib erfahren, als er die Defense gleichzeitig von 3-4 auf 4-3 umstellte, um seine Philosophie umzusetzen.

Gleichzeitig existiert das Grundscheme der Tampa 2 nach wie vor in 4-3-Defenses und mit Coverage-Switches (ungewöhnliche/überraschende Zuteilungen was die Coverage-Aufgaben angeht) und verschiedenen Blitz-Konzepten kann man sie noch immer verwenden.

Wer das spezifisch verfolgen will, dem seien nach wie vor die Dallas Cowboys ans Herz gelegt. Unter dem neuen Defensive Coordinator Rod Marinelli, der ebenfalls aus der Tampa-2-Schule kommt und als D-Line-Coach mit den Bucs 2002 den Super Bowl gewann, verwenden die Boys zumindest teilweise noch immer eine Version der Defense.

Allerdings mixen sie das Scheme unter Marinelli mit mehr Man-Coverage, blitzenden Safeties, Mischungen aus Man- und Zone-Coverage sowie insgesamt schwerer vorhersehbaren Blitz-Schemes. Der Fokus liegt aber weiterhin darauf, mit der D-Line Druck zu erzeugen.

Marinelli schaffte es so, Druck zu machen, was immerhin in 18 Interceptions (ligaweit Platz 7) resultierte. Kaum auszudenken, zu was er fähig ist, wenn Randy Gregory, Tyrone Crawford und Greg Hardy für Pass-Rush sorgen, Sean Lee als Will-LB glänzen und Rolando McClain wieder die so wichtige MLB-Position einnehmen kann.

Adrian Franke

10 Gedanken zu “Die Tampa 2 Defense: Vom Steel Curtain zum Auslaufmodell?

  1. He’s baaaaaaaaaaaaaack 😀

    Hoffe du hattest einen erholsamen Urlaub.
    Starker Artikel, zeigt finde ich gut auf, dass die D-Schemes meist deutlich komplizierter sind als die O-Plays.

    Eine Sache ist mir aufgefallen: Das System basiert auf einer 4-3-Front, also vier Defensive Linemen und vier Linebackern.

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  2. Lovie Smith spielt auch nach wie vor Tamba 2-D. 😉 McCoy ist der neue Sapp und David der neue Brooks…. Leider ist das Team sonst nicht ganz so gut. 😉
    Auch bei den Bears war ja seine D ganz interessant mit Urlacher und Briggs als überragendes LB-Duo.

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      • Könnten sie, aber Greg Hardy hat mir die Tage geschrieben, dass er am Wochenende mit Ray Rice und Aldon Smith um die Häuser ziehen will, um Dallas besser kennenzulernen 😀

        Den Artikel les ich nachher mal, sitz gerade noch in der Redaktion. Aber du hast Wort gehalten und direkt mal ein interessantes Thema rausgehauen 🙂
        Hoffentlich konntest du dich dafür im Urlaub umso mehr erholen 😉

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